Stilvielfalt und Klassische Moderne in der rumänischen Hauptstadt
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Reiseziel in den Jahren 2013, 2014, 2015, 2017, 2021
Die heutige rumänische Metropole und Hauptstadt des in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegründeten Königreichs Rumänien war historisch nicht nur ein Schmelztiegel von Menschen unterschiedlicher Ethnien und Religionen, sondern entwickelte sich bis in das 20. Jahrhundert zu einem Experimentierfeld unterschiedlicher, zumeist aus Zentraleuropa importierter Architekturströmungen. Durch rumänische Architekten, die Ende des 19. Jahrhunderts vor allem in Paris oder wien studierten, mischte sich Historismus und Jugendstil westlicher Prägung mit landestypischen Stilelementen. Seit Ende des Ersten Weltkriegs und der Vereinigung des Landes mit dem bis dahin in ungarischer Hand befindlichen Siebenbürgen entwickelte sich Bukarest rasch zu einer architektonisch stark mitteleuropäisch geprägten Metropole, die gerne als „Paris des Ostens“ bezeichnet wurde.
So stehen bei dieser Studienreise neben den Resten der historischen Innenstadt mit den wenigen erhaltenen Bauten des 17. und 18. Jahrhunderts vor allem die städtische Bebauung des späten 19. Jahrhunderts und der Zwischenkriegszeit im Fokus, als neue Stadtquartiere mit eleganten Villen, aber auch Beamten- und Arbeitersiedlungen nach Bauhaus-Vorbild entstanden. Ab den frühen 1930er Jahren wurde im Stadtzentrum ein kilometerlanger, von beeindruckenden Hotel-, Geschäfts- und Appartementhäusern gesäumter „Boulevard der Moderne“ angelegt. Neben bedeutenden rumänischen Architekten war es auch der 1933 aus Deutschland geflohene Berliner Architekt Rudolf Fränkel („Gartenstadt Atlantic” mit dem Kino Lichtburg/Berlin-Gesundbrunnen), der das Bild dieses Straßenzugs bestimmte.
Zwar setzte der Zweite Weltkrieg mit dem bald darauf erfolgten Systemwechsel zunächst kaum eine Zäsur – gerade auch die nachfolgende „Ostmoderne” trägt hier internationale Züge – doch fügte die megalomane Stadtplanung des Diktators Ceausescu dem Stadtorganismus in den 1970er und 80er Jahren bis heute sichtbare Wunden zu.
Diese Seminarreise Reise bietet vielfältige Einblicke in die historische, klassisch-moderne und zeitgenössische Architektur der rumänischen Hauptstadt. Neben einer Stadtrundfahrt, einer Fahrt in die historisch bemerkenswerten Außenbezirke und Rundgängen durch verschiedene Stadtquartiere bereichern Exkursionen und Gespräche mit deutschsprachigen Fachleuten das Reiseprogramm und bietet so die Gelegenheit, die Stadt von einer außergewöhnlichen Seite kennen zu lernen.
Bukarest/București | Das Büro- und Appartementhaus „Magheru One” wurde 1936 durch den jüdischen, drei Jahre zuvor ins rumänische Exil geflohenen Berliner Architekten Rudolf Fränkel errichtet. Bukarest/București | Der rumänische Architekt Arghir Culina errichtete das am Bulevard General Magheru gelegene „Hotel Ambassador” zwischen 1938 und 1939. Dessen obere Geschosse sind, den damaligen Bauvorschriften entsprechend, nach hinten gestaffelt. Bukarest/București | Hinter einer wenig aussagekräftigen historistischen Fassade verbirgt sich das im Auftrag der Unternehmerfamilie Bragadiru 1923 geplante Parkhaus „Ciclop“, das zu den ältesten noch erhaltenen Gebäuden dieser Funktion in Europa zählt. Bukarest/București | Im Stil des Sozialistischen Realismus und in Anlehnung an die Moskauer Lomonossow-Universität entstand ab 1952 in nach Entwürfen des Architekten Horia Maicu der Pressepalast/Casa Presei Libere. Bukarest/București | Zu den beeindruckendsten Bauwerken der Hauptstadt zählt der „Parlamentspalast”, der als „Haus des Volkes” 1983 begonnen wurde und als architektonische Metapher für die Unterdrückung und Ausbeutung der rumänischen Bevölkerung unter dem Diktator Ceauşescu gilt. Bukarest/București | Mit der Vernichtung des historischen Stadtzentrums in den 1980er Jahren und der Errichtung des „Haus des Volkes“ wurde die rund vier Kilometer lange Straßenachse des „Boulevard des Sieges des Sozialismus“ – heute „Boulevard der Einheit“ (Bulevardul Unirii) angelegt, die sich der Pariser „Avenue Champs Elysees“ orientierte. Bukarest/București | In dem nach den Handelbeziehungen zur „Leipziger Messe” benannten „Lipscani”-Viertel blieben viele Bauten aus dem späten 18. und beginnenden 19. Jahrhundert erhalten. Bukarest/București | Einer der wenigen architektonischen Zeugen der einst so reichen jüdischen Kultur der Stadt: die jüngst ausgezeichnet restaurierte, nach Wiener Vorbild errichtete Choral-Synagoge. Bukarest/București | Die Stavropoleoskirche zählt zu den schönsten orthodoxen Kirchen des „alten Bukarest”. Der zu Anfang des 18. Jhd. im „Brâncoveanu”-Stil errichtete Bau wurde nach dem Zerfall Ende des 19. Jhd. durch den „Wiedererwecker” der altrumänischen Baukunst, den Architekten Ion Mincu restauriert. Bukarest/București | Der charakteristische „arcul de triumf“ orientiert sich selbstverständlich am „Arc de Triomphe“ in Paris und nimmt verkehrstechnisch eine ähnliche Stellung in einem Kreisverkehr ein. Er entstand 1935 bis 1936 nach Entwürfen des Architekten Petre Antonescu anstelle zweier hölzernen Vorgängerbauten, die an den 1878 errungenen Sieg im Unabhängigkeitskrieg gegen das Osmanische Reich erinnern. Bukarest/București | Die repräsentative, nach Pariser Vorbild 1891 vollendete Passage wurde nach dem katalanischen Baumeister und damaligen Stadtarchitekten Xavier Vilacrosse benannt, der an dieser Stelle einen Gasthof besaß. Bukarest/București | Das 1902 errichtete Palais der rumänischen Bojarenfamilie Cantacuzino, das heute das Museum für den rumänischen Nationalkomponisten George Enescu beherbergt, zeigt bereits Elemente des französischen Art Nouveau. Bukarest/București | In den 1960er Jahren begann die rumänische Architektur, sich wieder der Sachlichkeit, dem Internationalen Stil anzunähern. Als spektakulärer Bau entstand 1960 bis 1963 der zentrale Ausstellungspavillon der ROMExpo an der Piaţa Presei Libere. Bukarest/București | Mit dem in Formen des amerikanischen Art Déco von Louis Weeks, Walter Froy sowie dem rumänischen Architekten Edmond van Saanen Algi 1931 bis 1933 errichteten „Telefonpalast” entstand das erste Hochhaus Ostmitteleuropas in der rumänischen Hauptstadt. Im Vordergrund ein neues Hotel mit rekonstruiertem Portikus der 1944 zerstörten Oper. Bukarest/București | Der nach seinem Erbauer Manuc Mârzaian benannte Gasthof ist eines der letzten Beispiel der zahlreichen Gasthöfe, die bis in das frühe 20. Jahrhundert das Stadtbild prägten. Von 1806 bis 1808 errichtet, verfügte die großzügige Anlage ähnlich einem Basar zahlreiche Geschäfte und mehrere Gasthäuser im Erdgeschoss, darunter befanden sich 15 Weinkeller.