Adelssitze und Industrie in Oberschlesien
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Reiseziel in den Jahren 2021, 2022, 2024
Noch vor wenigen Jahren galt Oberschlesien, das im 19. Jahrhundert zum zweitgrößten Industrierevier des Deutschen Reiches avancierte, als wenig beachtetes Reiseziel in Polen. Doch mit dem Niedergang der Montanindustrie hat sich diese historisch von vielen Zäsuren geprägte Region zu einem Geheimtipp für Kulturreisende entwickelt. Wie auch Niederschlesien ist auch der östliche Teil des historischen Schlesiens durch eine sehr hohe Dichte an Adelssitzen, verbunden mit zum Teil weitläufigen Parkanlagen, charakterisiert. Insbesondere mit der Industrialisierung und dem damit verbundenen zunehmenden Wohlstand von Adel und Großbürgertum wurden zahlreiche Schlösser aufwändig umgebaut und vergrößert. Einige dieser befinden sich heute in ausgezeichnetem Zustand, einige werden derzeit restauriert und einer neuen Nutzung zugeführt. Im Zusammenspiel der Adelssitze mit den zum Teil zu Erlebnismuseen entwickelten ehemaligen Industrieanlagen lassen sich an dieser Vielzahl an Baudenkmalen die wechselhafte Geschichte dieses Brückenlandes zwischen Deutschland und Polen bestens erfahren.
Neben den Residenzen der Grafen Hochberg und Fürsten von Pless in Pless/Pszczyna, der Gräflichen Familie von Ballestrem in Plawniowitz/Pławniowice und dem pittoresken Schloss der Familie von Tiele-Winckler in Moschen/Moszna besuchen Sie zudem einige „in restauro” befindliche Adelssitze, darunter die umfangreiche Schlossanlage von Oberglogau/Glogówek, in dem Ludwig van Beethoven 1806 zu Gast war und seinem Gastgeber, dem Grafen Franz von Oppersdorf seine 4. Symphonie widmete. Nahebei befindet sich zudem die malerische Schlossruine von Lubowitz/Łubowice, in der 1788 der Schriftsteller und Lyriker Joseph von Eichendorff das Licht der Welt erblickte. Weiterhin besichtigen Sie die oberschlesische Regierungs- und heutige Woiwodschaftshauptstadt Oppeln/Opole, die altehrwürdige Stadt Ratibor/Racibórz, die Industriestadt Gleiwitz/Gliwice sowie die geteilte, auf polnischer und tschechischer Seite liegende Stadt Teschen/Cieszyn bzw. Těšín.
Übernachten werden Sie im altstadtnahen Hotel Qubus*** in Gleiwitz sowie dem eleganten Hotel DeSilva Premium**** in Oppeln.
Gleiwitz/Gliwice | Der rechteckige, als Ring bezeichnete Marktplatz der Stadt entstand mit der Gründung der Stadt im 13. Jahrhundert und weist bis heute eine weitgehend kleinteilige Bebauung auf. Im Zentrum erhebt sich das Rathaus aus dem 15. Jahrhundert, das seine heutige Gestalt Mitte des 19. Jahrhunderts erhielt. Gleiwitz/Gliwice | Als einer der herausragenden Bauwerke der Klassischen Moderne präsentiert sich das ehemalige Seidenhaus Weichmann, das sehr bewusst als architektonischer Bruch mit dem Historismus einer gründerzeitlichen Straßenzeile vorgesetzt wurde. Als Architekt ist Erich Mendelsohn zu nennen, der hier mit Richard Neutra 1921 eine Inkunabel des Neuen Bauens schuf. Naklo/Naklo Śląskie | Das auf einen älteren Gebäudekern zurückgehende neogotische Jagdschloss der Familie Henckel von Donnersmarck entstand 1856 und wurde 1891 nochmals erweitert. Der zuletzt als Landwirtschaftsschule genutzte Bau ist seit wenigen Jahren Gemeindeeigentum und wird derzeit zu einem Kulturzentrum adaptiert. Neudeck/Świerklaniec | Im Zentrum der (neo-)barocken Gartenachse erhebt sich der in Paris gefertigte und 1872 aufgestellte Brunnen – eine Kopie der Fontäne des astronomischen Observatoriums in Paris. Unmittelbar dahinter entwickelte sich das Schloss, das in der Zwischenkriegszeit als „schlesisches Versailles“ betitelt wurde, aber nach dem Brand 1945 in den 1960er Jahren abgebrochen wurde. Groß Rauden/Rudy | Hervorgegangen aus der vor 1258 gegründeten Zisterzienserabtei wurde die weitläufige Anlage mit Klosterkirche, der Klausur und mehreren Nebengebäuden nach der Säkularisation in Schlesien 1810 an den Landgrafen Viktor-Amadeus von Hessen-Rothenburg, dem späteren Herzog von Ratibor verkauft und zur Schlossanlage adaptiert, während die Klosterkirche als Pfarrkirche diente. 1945 ausgebrannt, wurde der Gebäudekomplex nach 2000 als Bildungszentrum der Diözese Gleiwitz restauriert. Kattowitz/Katowice | Sicherlich zählt das Schlesische Museum in Kattowitz zu den innovativsten Museumsbauten in Polen. Nach Entwürfen eines mehrfach preisgekrönten Grazer Architekturbüros Riegler Riewe entstand auf dem Gelände der stillgelegten Zeche Ferdinand/Kopalnia Węgla Kamiennego Katowice ein Museumskomplex mit zum Teil unterirdischen Bauten, der die oberirdischen, denkmalgeschützten Industriegebäude mit einbezieht. Kattowitz/Katowice | Die Industriearbeitersiedlung „Nikischschacht“ entstand zwischen 1908 und 1919. Wie die Siedlung selbst, geht auch der Entwurf der erst 1927 geweihten St. Anna-Kirche auf das Charlottenburger Architekturbüros Zillmann zurück. Pleß/Pszczyna | Das jüngst restaurierte und im Innern weitgehend original ausgestattete Schloss der Grafen von Hochberg und Fürsten von Pleß entstand durch einen Umbau eines barocken Vorgängerbaues in den 1870er Jahren. Teschen/Cieszyn | Das klassizistische Stadtschloss geht auf eine frühmittelalterliche Burganlage zurück und wurde im Auftrag Erzherzogs Karl von Österreichisch-Teschen durch den österreichischen Architekten Joseph Kornhäusel umgebaut. Im hinteren Teil des Parks befindet sich mit der ehemaligen Burgkapelle die älteste erhaltene Rotunde in ganz Polen. Teschen/Cieszyn | Teschen/Cieszyn | Eines der bemerkenswertesten Baudenkmäler der geteilten Stadt ist die evangelisch-lutherische Jesuskirche – eine der gemäß der Altranstädter Konvention nach 1709 errichteten Gnadenkirchen Schlesiens. Die fünfschiffige Basilika gilt heute als „Mutterkirche der Evangelischen Christen in Polen”. Moschen/Moszna | Die pittoreske Adelsresidenz des Kohle-Magnaten Hubert von Tiele-Winckler entstand nach einem Brand unter Einbeziehung des barocken Ursprungsbaues Ende des 19. Jahrhunderts. Die historistisch stark erweiterte Schlossanlage zählt mittlerweile zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten in Oberschlesien. Oberglogau/Głogówek | Hier, im frühbarocken Schloss war Ludwig van Beethoven 1806 Gast des Grafen Franz von Oppersdorf. Die Anlage – nach mehreren erfolglosen Privatisierungsversuchen heute in städtischem Eigentum – befindet sich derzeit in Restaurierung. Plawniowitz/Plawniowice | Die ausgezeichnet restaurierte Schlossanlage von Plawniowitz ist heute eine Tagungsstätte der Oppelner Diözese. Die 1882 bis 1885 für Franz Graf von Ballestrem errichtete Anlage konzipierte der Architekt Carl Heidenreich. Lubowitz/Łubowice | Der barocke Vorgängerbau des neogotischen Schlosses ist der Geburtsort Joseph von Eichendorffs. Als einstige Wirkungsstätte des romantischen Dichters wird der nach 1945 zur Ruine gewordene Adelssitz in diesem Zustand erhalten; zudem hält das nahegelegene Eichendorffzentrum die Erinnerung an den Poeten weiterhin wach. Ratibor/Racibórz | Bereits 1108 als Kastellanei erwähnt, entwickelte sich aus der Wehranlage eine Residenz der Ratiborer Piastenherzöge, die von böhmischen Přemysliden abgelöst wurden. Im 19. und 20. Jahrhundert verwahrlost und kaum genutzt, wurde die Schlossanlage kürzlich restauriert, darunter auch die Ende des 13. Jahrhunderts errichtete Schlosskapelle des hl. Thomas von Canterbury. Annaberg/Góra Świętej Anny | Prächtig ausgestattet ist das Innere der Wallfahrtskirche, die Mitte des 16. Jahrhunderts als Stiftung der Grafen von Gaschin errichtet und 1858 durch den Franziskanerorden übernommen wurde. Oppeln/Opole | Trotz schwerer Kriegszerstörungen lässt sich an den repräsentativen, bis 1961 rekonstruierten bzw. restaurierten Bürgerhäusern des Rings/Marktplatzes der Reichtum der an der Via Regia gelegenen Handelsstadt ablesen.